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Als Anna 2007 von Griechenland nach Deutschland kam, hatte sie bereits einen Master-Abschluss in Biologie. “Die Krise war damals viel eher in der griechischen Wissenschaft angekommen als in der griechischen Wirtschaft”, sagt Anna auf die Frage, warum sie sich entschied zu gehen. Anna wollte unbedingt eine Doktorarbeit schreiben und die drohende Armut in Griechenland führte sie ins Ausland. Schon in den sechs Jahren, in denen sie studierte, hatte sie große finanzielle Schwierigkeiten. Aber das Geld war nicht der einzige Grund.
“Für Wissenschaftler ist es wirklich toll, in einer bekannten Universität zu arbeiten und mit vielen anderen Wissenschaftlern in Kontakt zu kommen”, sagt Anna. “Deutschland bot damals die besten Optionen. In meinem Spezialgebiet ist eine Doktorandenstelle mit einem Gehalt verknüpft und es gibt keine Studiengebühren.” Heute lebt und arbeitet Anna als Bio-Wissenschaftlerin in Berlin.
Nach Deutschland zu kommen war für Anna damals kein Problem. “Ich kam kurz vor der Krise in Griechenland und wurde als Wissenschaftlerin mit einem Doktoranden-Stipendium natürlich willkommen geheißen.” Anna richtete sich schnell ein Konto ein und schaute sich nach einer Unterkunft um – das wäre ohne ihr Stipendium schwieriger geworden. “Das Vorurteil, dass ich ein Grieche bin, der seine Miete nicht bezahlt, habe ich nicht gespürt. Das kam erst ein paar Jahre später.”
Die blöden Sprüche kamen erst, sagt Anna, als die griechische Krise regelmäßig in den Nachrichten auftauchte. “Als die Krise kam, habe ich einen Wechsel in der Einstellung der Leute erlebt. Nicht bei Freunden oder Kollegen, aber bei Leuten, die ich auf der Straße oder im Bus getroffen haben”, sagt Anna. Für Menschen aus Griechenland habe niemand mehr nette Kommentare übrig gehabt. Die deutschen Medien, sagt Anna, hätten damals einen großen Teil zu dieser Feindlichkeit beigetragen.
“Die Leute wurden überzeugt, dass die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt hatten und dass jetzt, wenn sie Hilfe brauchen, die Deutschen dafür bezahlen müssen.” Anna erinnert sich an einen Vorfall in 2011, als sie und eine Freundin ihre Hunde spazieren führten. “Wir trafen eine Frau, die auch mit ihrem Hund im Park unterwegs war und wir fingen entspannt an, uns zu unterhalten. Sie fragte uns, wo wir herkommen und als wir Griechenland sagten, antwortete sie: ‚Oh, das tut mir leid. Ich habe leider grad überhaupt kein Geld dabei, das ich Ihnen geben könnte.‘ Das war ziemlich schockierend.”
Die Finanzkrise war für Anna kein abstraktes Problem. Die Probleme betrafen auch ihre Familie. Nachdem ihre Mutter und ihre Schwester in Athen ihre Jobs verloren, folgten die beiden 2012 nach Berlin. Weil Anna bereits in Deutschland arbeitete, lief die Integration für die beiden deutlich einfacher ab. “Für meine Familie war es einfacher als für andere Migranten zu der Zeit. Dank meiner Bürgschaft hatten Sie schnell eine Unterkunft. Jetzt arbeiten beide und ich glaube sie sind glücklich.”
Anna hat Heimweh. Sie gibt zu, dass sie Athen vermisst, die Leute, das tägliche Leben in Griechenland, ihre Freunde. “Ich vermisse unsere langen Kaffee-Treffen und Gespräche. Ich glaube, dass Griechen politischer sind. Und ich vermisse unseren Humor.” Sie weiß, dass es in der jetzigen wirtschaftlichen Lage schwierig ist, zurückzugehen. Anna sagt, sie genießt die Sicherheit, die ihr ein guter Job gibt, das entspannte Leben in einer wunderschönen Stadt und die Stabilität, die ihr der deutsche Staat geben kann.
“Deutsche sind auch nur Menschen. Es ist einfach so, dass der Staat Dir hier eine Sicherheit gibt, die wir in Griechenland niemals hatten.” Wenn Anna nicht nach Athen zurück kann, möchte sie weiter in Berlin leben. Aber das hängt von ihrem Job ab. “Die Arbeitsbedingungen ändern sich auch in Deutschland. Arbeitsverträge sind nicht immer unbefristet”, sagt Anna. “Wo ich in fünf Jahren sein werde? Das kann ich nicht sagen.”
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