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Ludovica Bello kommt aus einer kleinen Stadt im Norden Italiens, aus der Nähe von Padua, genauer aus Battaglia Terme. Heute singt die 27-Jährige am Nationaltheater Mannheim. Als Absolventin des Conservatorio di Rovigo startete Bello ihre Gesangskarriere in Italien bis ihr Chef auf einmal aufhörte, sie für ihre Auftritte zu bezahlen. “Da war ich auf einmal nicht nur Opfer eines Betrugs, ich musste auch noch auf die ineffiziente italienische Justiz vertrauen. Ich habe mich wirklich ohnmächtig gefühlt und das hat mich zu der Entscheidung gebracht, auszuwandern”, sagt Ludovica.
Doch der Betrug war nicht Ludovicas einziges Problem. “In Italien ist es mittlerweile quasi unmöglich, Künstler zu sein. Das liegt an den Haushaltskürzungen.” Das Budget des italienischen Kulturministeriums ist tatsächlich in etwas mehr als einem Jahrzehnt von 2,7 auf 1,5 Milliarden Euro zurückgegangen. Viele Künstler tun sich nun schwer, von ihrer Kunst zu leben.
Ludovica ist sich sicher, dass sie nicht wieder zurück nach Italien gehen wird, außer vielleicht für Urlaube, so wie es ja auch viele Deutsche tun. “Oder um alt zu werden”, fügt sie hinzu, mit einem melancholischen Lächeln. Sie hat dieselben nostalgischen Gefühle wie viele andere südeuropäische Auswanderer, die es nach Nordeuropa gezogen hat. “Auch wenn es mir hier in Mannheim wirklich sehr gut geht, vermisse ich mein Essen, die Landschaft meiner Heimat, meine Familie.”
“Ich habe Italien 2010 verlassen mit der Idee, möglichst bald zurückzugehen”, sagt Ludovica. “Aber mittlerweile bin ich Mitglied der internationalen Familie des Nationaltheaters Mannheim.” So wie viele andere Italiener in Deutschland bezeichnet Ludovica Italien immer noch als “la casa”, aber dankbar ist sie ihrem Land für nichts. “Außer für die Schulen, auf die ich gehen durfte – inklusive des sehr guten Konversatoriums.”
Ludovica ist ein gutes Beispiel für den “brain drain”, unter dem südeuropäische Länder immer stärker leiden. Südeuropa investiert Milliarden Euro in die Ausbildung junger Bürger – nur um die besten Studenten an andere Länder zu verlieren, sobald sie ihren Abschluss haben.
Ludovica selbst ist glücklich. “Ich habe immer von Deutschland geträumt, seit der Schule hatte ich immer eine spezielle Verbindung mit der deutschen Sprache und Kultur.” Auf Rassismus angesprochen antwortet Ludovica klar und direkt: “Italien ist viel rassistischer als Deutschland, weil Deutschland viel stärker an Ausländer gewöhnt ist. Das sieht man an ganz einfachen Dingen. In der Stadt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln wo Türken, Kurden, Israelis, Palästinenser, Spanier, Polen oder Afrikaer keine Probleme miteinander haben.”
Ludovica findet es super, dass viele junge Deutsche ein Jahr ins Ausland gehen, wenn sie mit der Schule fertig sind. Das sei vorbildlich. “Diese Tradition gibt es in Südeuropa so nicht. Bei uns schnürt das enge Familienmodell die jungen Leute häufig ein.”
In Mannheim lebt Ludovica mit ihrem Ehemann, Emanuele, der auch Sänger ist. “Deutschland heißt jeden mit offenen Armen willkommen”, sagt Ludovica. “Anders als wir Italiener scheint Deutschland aus seiner Vergangenheit gelernt zu haben. Und das merkt man im Alltag.”
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